Julius Streichers antisemitische Zeitschrift „Der Stürmer"

Ab 1927 war der Zeitschrift stets das Zitat "Die Juden sind unser Unglück" vorangestellt - auch über Deutschland hinaus. Quelle: Stürmer Nr. 31 (1938).
Quelle: Stürmer Nr. 8 (1937) Cover. "Giftgas" verbreiteten die Nazis, nicht die Juden.
Verführung der Jugend, Hinterhältigkeit und "Fäden ziehen", Vorurteile, wie sie im "Stürmer" immer wieder propagiert wurden. Nr. 26 (1935).

Mit dem folgenden Projekt über die antisemitische Zeitschrift „Der Stürmer“ möchten wir, die Schülerinnen und Schüler der DWV2, allen interessierten Leserinnen und Lesern beispielhaft zeigen, wie niederträchtig, grausam, menschenverachtend und hanebüchen die Propaganda des „Stürmer“ zwischen 1923 und 1945 war und auch seinen Herausgeber, Julius Streicher, vorstellen. Damit ihr nicht selbst auf diese Art von Propaganda hereinfallt, stellen wir euch ausgewählte antisemitische Vorurteile und ihre Entstehung an Covern aus dem „Stürmer“ vor. Wir haben hierzu im GG-Unterricht bei Frau Dr. Quick die Inhalte in Gruppen erarbeitet und stellen sie euch hier vor.

Hier findet ihr Hintergrundinformationen zu folgenden Themen und natürlich unsere Ergebnisse. Mit Klick auf den jeweiligen Eintrag gelangt ihr zu den Informationen. 

Quelle: Stürmer Nr. 25 (1938). Zwei Ausgaben des "Stürmer" konnte man gratis beziehen und sich so von der "Qualität" überzeugen.

Der Stürmer “Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit”

Die Wochenzeitschrift der „Stürmer“ brachte gewalttätige, obszöne und pornographische Geschichten und Karikaturen über die „jüdische Niedertracht“, die in Zerrbildern und dämonenhaften Zeichnungen zum Ausdruck kamen. Das Wochenblatt verbreitete Anschuldigungen wegen Kinds- und Ritualmord, zum Beispiel dass Juden Kinder töten und ihr Blut trinken würden und beschrieb Juden als Sexualstraftäter, sogenannte „Rasseschänder“.

Mit detailreichen Geschichten über Sex, Namen und Verbrechen der Juden, versuchte „der Stürmer“ die Leserschaft zu erregen und zu unterhalten. Die Anschuldigungen waren haltlos und wurden nur selten untersucht. Sie zielten auf die Entmenschlichung und Diffamierung der Juden in allen Lebensbereichen.

Entwicklung, Verbote und Verbreitung

Die Zeitschrift war nie offizielles Organ der NSDAP und trug entsprechend auch nie die Symbolik der Nazis, wie das Hakenkreuz im Logo, allerdings warb das Blatt durchaus im Innern mit dem Nationalsozialismus und dessen Ideologie, schaltete Werbung und informierte über Kundgebungen etc.

Die Auflage des Stürmers lag in den Anfangsjahren bei wenigen tausend Exemplaren und beschränkte sich auf Nürnberg, stieg nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten dann von 47.000 im Juni 1934 auf 486.000 Exemplare im Oktober 1935. (Vgl. Roos, S. 252) . Im Jahr 1938 erreichte das Blatt mit fast einer halben Million Exemplaren seine höchste Auflage. 

Mehrfach wurde der „Stürmer“ in seinen Anfangsjahren verboten, doch Streichers Posten im bayerischen Landtag verschaffte ihm eine gewisse Immunität, sodass seine rassistischen Botschaften nicht zum Verstummen gebracht wurden. Streichers frühe Kampagnen gegen Juden erhielten extreme Behauptungen, die fast die Einstellung der Zeitung zur Folge gehabt hätten, weil der „Stürmer“ behauptete, die Juden hätten Arbeitslosigkeit und Inflation verursacht, Phänomene, unter denen die Weimarer Republik in den 1920er Jahren litt. 

Karikatur zur "Stürmer"-Beschlagnahme in: Der Stürmer, Nr. 47 (1928). Bildunterschrift: "Innerhalb weniger Tage wurde der Stürmer zweimal beschlagnahmt. Jüdische Schweinereien werden unentwegt auf das Volk losgelassen."
Die "Stürmerkästen" waren vor Schulen, in der Stadt und an anderen öffentlichen Orten aufgestellt. Foto: Stürmer Nr. 6 (1935), S. 6.

Propaganda-Maschinerie – alles andere als „die Wahrheit“

Das selbsternannte „Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit” wurde bis 1935 im völkischen Verlag Wilhelm Härdel verlegt, anschließend in Streichers eigenem Verlag der „Stürmer”. Ab 1927 war der Zeitung stets das Zitat „Die Juden sind unser Unglück” des Historikers Heinrich von Treitschke (1834-1896) von 1879 angefügt, das die aggressiv-diffamierende Ausrichtung des „Stürmers” auf seiner Titelseite offenbarte. Dezidiert richtete sich die Zeitung auch an Menschen mit wenig Bildung. Hitler erklärte den „Stürmer“ zu seiner „Lieblingszeitschrift“ und sorgte dafür, dass jede Wochenausgabe in jeder Stadt und in jedem Dorf in speziellen Schaukästen, den sogenannten „Stürmerkästen“, zur Ansicht ausgestellt wurde. Exemplare zum „Anfixen“ wurden gratis angeboten und das Blatt warb damit, dass man den „Stürmer“ untereinander weitergeben sollte, um andere vor der „jüdischen Gefahr“ zu warnen. Zudem rief es aktiv dazu auf, jüdische „Taten“ und „Verfehlungen“ zu melden und sich mit seinen Fragen und Sorgen vor der „jüdischen Gefahr“ an die Redaktion des „Stürmer“ zu wenden.

Leserschaft: Zwischen treuen Anhängern und Skeptikern

Positive Reaktionen auf die Artikel und Bilder im „Stürmer“ reichten von der uneingeschränkten Akzeptanz bis zur teilweisen Übernahme der Aussagen. Die Befragten, die sich negativ über das Blatt äußerten, empfanden die Aufmachung und die Inhalte als abstoßend. Auch Ekel rief der „Stürmer“ hervor.

Es lässt sich festhalten, dass der „Stürmer“ zur Kenntnis genommen, aber die Lektüre nicht zwingend fortgesetzt wurde. Die Faszination, die – trotz der eigenen ideologischen Überzeugung – von der reißerischen Aufmachung des „Stürmers“ ausging, zeigt sich zum Beispiel darin, dass sich manche Leser verschämt von den „Stürmerkästen“ entfernten, sobald sie von jemandem wahrgenommen wurden, den sie persönlich als „guten Juden“ kannten.

Die Lektüre hatte für manche vermutlich mehr Unterhaltungs- als Informationscharakter im Sinne von „Sex and Crime“, was sich wiederum unterschwellig auf die Verbreitung und Festigung antisemischer Stereotype auswirkte.

Trotz Streichers Erfolg rief der „Stürmer“ selbst bei Nazis Skepsis und Verurteilungen hervor. Viele Naziführer hielten Streicher für eine tickende Zeitbombe – narzisstisch, launisch und gierig. A pros pros Gier: Streicher wurde durch den „Stürmer“ zum Multimillionär.

Ausgewählte Zitate von Leserinnen und Lesern des „Stürmer”:

Damals warteten wir immer auf die neuste Nummer. 

Das war sehr lehrreich immer. Wenn auch manches übertrieben war, so stand doch ein Körnchen Wahrheit drin.

Das widerlichste Blatt, das mir unter die Hände gekommen ist.

Es war ein Schweineblatt.

 
 

Julius Streicher, der Mann hinter dem „Stürmer“ 

Julius Streicher war ein antisemitischer deutscher Politiker und prominentes Mitglied der NSDAP vor dem Zweiten Weltkrieg. Er gründete und veröffentlichte seit Mai 1923 das antisemitische Blatt „Der Stürmer“.

Soldat und Lehrer

Streicher wurde am 12. Februar 1885 in Fleinhausen, Bayern, als eines von neun Kindern des Volksschullehrers Friedrich Streicher und dessen Frau Anna geboren. Seinem Vater folgend wurde er ebenfalls Volksschullehrer. 1909 wechselte er in die Verwaltung eines Gymnasiums in Nürnberg und heiratete 1913 Kunigunde Roth, die 1943 nach dreißig Jahren Ehe starb.

Nachdem Streicher im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse verliehen wurde, kehrte er 1919 nach Nürnberg zurück und unterrichtete wieder.

Der Herausgeber des "Stürmer" Julius Streicher (1885-1946). Aufnahme aus dem Jahr 1921. Quelle: Daniel Roos: Julius Streicher und "Der Stürmer" 1923-1945. Paderborn 2013, S. 56.

Rechtsruck

Seit 1919 engagierte er sich in der rechten Politik und gründete als Reaktion auf die gescheiterte kommunistische Revolution von 1919 ein Jahr später die Nürnberger Ortsgruppe der Sozialistischen Partei Deutschland. Anders als es der Name vermuten lässt, war diese Partei keineswegs sozialistisch, sondern stark antisemitisch, antikatholisch und nationalistisch eingestellt. Sie propagierte, dass sich „die Juden“ mit bolschewistischen Verrätern verschworen hätten, um Deutschland einer kommunistischen Herrschaft zu unterwerfen. Dies stieß jedoch auf so viel Widerstand, dass Streicher die Gruppe verließ und 1921 der Deutschen Arbeiterpartei beitrat.

Hitler als Mentor

1921 hörte Streicher eine Rede Hitlers, den er fortan als Mentor erkannte und 1922 in die NSDAP eintrat. Er vereinigte seine persönliche Anhängerschaft von rund 3000 Menschen mit der Hitlers, wodurch sich die Zahl der Parteimitglieder der NSDAP fast verdoppelte. Streicher nahm 1923 am Hitlerputsch teil und marschierte mit dem späteren „Führer“ in der ersten Reihe der Demonstranten. Seine Loyalität brachte ihm Hitlers lebenslanges Vertrauen und Schutz ein.

Wegen seiner Beteiligung am Hitlerputsch wurde Streicher 1923 aus seinem Lehramt entlassen, sodass er sich auf seine Zeitung konzentrierte. 1925 machte ihn Hitler zum Gauleiter Nürnbergs. Diesen Posten baute Streicher nach der „Machtergreifung“ 1933 aus und organisierte zum ersten April des gleichen Jahres einen eintägigen Boykott jüdischer Geschäfte. Im Jahr 1935 trug er dazu bei, das politische Umfeld zu schaffen, das zur Schaffung der Nürnberger Rassegesetze führte.

Das Ende des „Stürmers“ und Julius Streichers
Streichers politischer Niedergang begann 1939 nach einem Vorfall, bei dem er versuchte, Hermann Göring öffentlich zu demütigen. Das oberste Parteigericht der NSDAP erklärte Streicher für „führungsunfähig“ und entzog ihm seine Parteiämter. Ihm wurde fortan untersagt, öffentliche Erklärungen abzugeben und 1940 wurden ihm sein Rang und andere Ämter entzogen. Streicher durfte jedoch weiterhin den „Stürmer“ herausgeben. Zum letzten Mal erschien der „Stürmer” am 1. Februar 1945.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verurteilte der Internationale Militärgerichtshof in den Nürnberger Prozessen Streicher als Herausgeber des Blatts wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit” zum Tode. Der „Stürmer“ sowie antisemitische Bücher wie „Der Giftpilz“, das Bilder mit kurzen Geschichten und Versen kombinierte, dienten vor Gericht als Beweismittel

Das Buch"Der Giftpilz", das im Verlag "Der Stürmer" von Streicher verlegt wurde, enthält kurze antisemitische Geschichten und Merkverse "für Jung und Alt".
Schon die Jüngsten sollten mit dem Antisemitismus in Berührung kommen: "Die Judennase ist an ihrer Spitze gebogen. Sie sieht aus wie ein Sechser."

Hintergrundinformationen zum Propaganda-Buch „Der Giftpilz“ 1938

Der Giftpilz – Ein Stürmerbuch für Jung u. Alt ist ein von Ernst Hiemer geschriebenes antisemitisches Kinderbuch, das 1938 von Streicher im Nürnberger Verlag Der Stürmer  herausgegeben wurde. Das 64 Seiten umfassende Buch enthält neben den Texten, die im Stile der NS-Propaganda geschrieben sind, ebenfalls antisemitische Zeichnungen von Philipp Rupprecht  (unter dem Künstlernamen Fips).

Das Buch sollte Kinder im Geiste der NS-Propaganda erziehen. Es beginnt mit einer einleitenden Erzählung, in der eine Mutter ihrem Sohn beim Pilzesammeln davon erzählt, dass es auch unter den Menschen „Giftpilze“ gebe. Der Giftpilz unter den Menschen sei der Jude. Es schließen sich 15 Kapitel an, die sich jeweils mit einem „Aspekt“ des Judentums befassen. Jedes Kapitel endet mit einem kurzen Gedicht, in dem der Inhalt des Kapitels zusammengefasst wird. 

Das Buch erreichte eine Auflage von 60.000 Exemplaren. Gelegentlich wurde es als Schulbuch eingesetzt. Von der Parteiführung hochgelobt, gilt es heute als Paradebeispiel für die antisemitische Agitation, die sich vor allem an Kinder und jugendliche Leser richtet. Dennoch wurde das Buch aufgrund seines plakativen und unglaubwürdig übertriebenen Antisemitismus auch von Teilen der SS  und des Sicherheitsdienstes (SD) aus politisch-taktischen Gründen nicht positiv, sondern sogar als „jugendgefährdend“ charakterisiert.

In den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde das Buch von der Anklage als Beweismittel gegen Streicher verwendet.

“Alljuda”

erstellt von Dario, Emican, Ramon und Vincent

In der NS-Ideologie galten Juden als „verschworene Weltgemeinschaft”, die über Sprache, Kultur und Blut verbunden sei. Ein Jude, der zum Christentum konvertiere, tue dies nur, um dem „Täuschungsbefehl“ des Talmud, dem jüdischen Gesetzbuch, zu folgen. Juden würden das Finanzwesen beherrschen, über ihre „Juden Presse” bzw. „jüdische Weltpresse“ Lügen verbreiten und der Wirtschaft und dem Volkswohl bewusst schaden. Alljuda” meint, es gäbe ein jüdisches Kollektiv, das die Welt beherrsche.

"Der Weltfeind. Die Geißeln der Völker", in: Stürmer Nr. 6 (1936).

Die Karikatur trägt die Überschrift „Die Geißeln der Völker.“ Im Zentrum des Bildes steht ein Davidstern mit der Inschrift „Du sollst die Völker der Erde fressen.“ Links und rechts von diesem sind zwei dämonische große Frauen mit Peitschen (Geißeln) zu sehen, beide haben Hakennasen und Haare welche aus Schlangen bestehen (Medusen). Neben der rechten sieht man einen Zirkel und ein Winkelmaß, welche das Symbol der Freimaurer darstellen und neben der linken Frau sieht man Hammer und Sichel in einem Stern, welche das Symbol der Kommunisten sind. Unter dem Davidstern sieht man ein großes Feuer und unter dem Feuer viele Männer, die mit Steinen und Stöcken auf zwei nackte Männer im unteren linken Bildrad losgehen. In Relation zu den Frauen wirken die Männer sehr klein. Diese sind jedoch nur teilweise zu erkennen. Die Unterschrift lautet  „Das Volk, dem Juda diese Furien sendet – wehrt es sich nicht – in Schmach und Schande endet“.

Die linke Frau mit dem kommunistischen Symbol soll den Kommunismus selbst darstellen bzw. personifizieren. Das gleiche lässt sich auch über die Rechte mit dem Freimauertum sagen. Die Schlangenhaare der beiden Frauen sollen den Betrachter dazu bringen, sie mit Medusa zu assoziieren, diese Assoziation soll sich jedoch nur auf ihr schreckliches Erscheinungsbild, welches Leute in Stein verwandelt, beziehen und baut darauf auf, dass der Betrachter keine Ahnung von der Tragik hinter ihrer Geschichte hat. Beide Frauen haben eine Hakennase, welche ein typisch jüdisches Klischee darstellte und auch immer noch darstellt und soll im Kopf des Betrachters den direkten Zusammenhang zwischen Judentum, Kommunismus und Freimaurertum herstellen. Der Text im Davidstern ist ein leicht modifiziertes Zitat aus dem Alten Testament aus dem Buch Mose und wird von Antisemiten allgemein als Bestätigung für die angeblich parasitäre Natur des Judentums verstanden. Die Männer im unteren Abschnitt des Bildes, die aufeinander losgehen, sollen ein Volk symbolisieren, welches durch die vom „Juden“ gesandten Furien Kommunismus und Freimaurertum dem Wahnsinn verfällt. Das Feuer im Hintergrund soll zusätzlich dafür sorgen, dass die großen Furien mit ihren Peitschen als „Höllische Knechterinnen“ dargestellt werden. Dazu wird der Davidstern als eine Art dämonischis Symbol präsentiert.

Der Hauptgrund dafür, dass wir uns für diese Karikatur entschieden haben, ist einerseits ihr sehr extremes Erscheinungsbild und andererseits der Umstand, dass sie die Verschwörungstheorie von Alljuda so gut auf den Punkt bringt. Gerade der Umstand, dass sie Freimaurertum und Kommunismus als Instrumente der Juden darstellt, mit denen sie die Zerstörung ganzer Völker versuchen würde aber auch die dämonische Inszenierung zeigen anschaulich, was die Nationalsozialisten mit solchen Karikaturen erzielen wollten: Die Entmenschlichung und Dämonisierung der Juden.

Der “Wucherjude”

erstellt von Dilek, Nele und Vlad

Das ist doch Wucher!” Das hat bestimmt jeder schon einmal gehört oder auch den Satz: Was sind das denn für Judenpreise?”

Von Judas Ischariot, der für dreißig Silberlinge den Herrn verriet, über die Figur des Shylock bis zu den Rothschilds ist kaum ein Stereotyp in der Geschichte des christlichen Abendlandes derart virulent wie das des geldgierigen Juden.

Was hat es mit dem Begriff „Wucherjude” auf sich? Woher kommt dieser Begriff und wie wurde dieser Typus im „Stürmer” dargestellt? Klickt auf das Bild des Stürmercovers „Dämon Geld”  dann erfahrt ihr mehr zu den Hintergründen dieses antisemitischen Stereotyps und zu seiner Verwendung.

In William Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" ist die Figur des Shylock das Sinnbild des geldgierigen Juden. Foto: https://www.bostonreview.net/articles/alan-stone-redeeming-shylock/
Quelle: Stürmer Nr. 47 (1937) Danke an Andreas Staniak für die Bereitstellung des Covers.

“Rassenschande”

erstellt von Denise und Ricarda

Zwischenmenschliche Beziehungen zwischen „Ariern“ und Juden wurden in der NS-Zeit nicht gerne gesehen. Bereits vor den Nürnberger Gesetzen, die im Sepember 1935 in Kraft traten, waren betroffene Personen Gegenstand offen ausgetragener antisemitischer Hetze. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde im deutschsprachigen Raum für sexuelle Beziehungen zwischen Personen verschiedener ethnischer Herkunft bzw. zwischen Nichtjuden und Juden der Begriff Rassenschande verwendet. Im Oktober 1920 ermahnte der geschäftsführende Bundesvorsitzende des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes”, Gertzlaff von Hertzberg auf dem Deutschen Tag in Weimar die Deutschen keine „Rassenschande“ zu begehen. 

"Rassenschutz: Was Gott zusammengefügt, soll der Mensch nicht trennen, was er geschieden, nicht zusammenmanschen!" in: Stürmer Nr. 25 (1935).
"Das neue Gesetz. Der Geilheit und dem Waihgeschrei zum Trutz steht deutsche Rasse unter höherem Schutz", in: Stürmer Nr. 39 (1935).

Die Nürnberger Gesetze, die die weitere Vermischung von Juden und „Ariern“ verhindern sollten, bestanden aus drei Einzelgesetzen, dem „Reichsflaggengesetz“, dem „Reichbürgergesetz“ und dem „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“.

Das Reichsflaggengesetz erhob die Farben schwarz-weiss-rot zu den Nationalfarben und die Hakenkreuzfahne zur Nationalflagge. Das Reichsbürgergesetz teilte die Deutschen in „Staatsbürger“ und „Reichsbürger“ auf. Damit sollten nur Angehörige „deutschen und artverwandten Blutes“ einen Anspruch auf politische Rechte haben. Jüdinnen und Juden konnten lediglich Staatsangehörige ohne politische Rechte sein.

Das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ regelte die Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen. Eheschließungen zwischen Jüdinnen und Juden und „Staatsangehörigen deutschen Blutes“ wurden verboten. Bei Zuwiderhandlung wurden Gefängnisstrafen verhängt oder die Beteiligten ins Zuchthaus geschickt. Außerehelicher Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden wurde ebenso verboten. Den Juden wurde zudem untersagt „arische“ Dienstmädchen unter 45 Jahren in deren Haus zu beschäftigen. Die Nürnberger Gesetze schufen zwei neue „rassische“ Kategorien: den „Halbjuden“ oder „jüdischen Mischling ersten Grades“ und den „Vierteljuden“ oder „jüdischen Mischling zweiten Grades“. Ein „Halbjude“ hatte zwei jüdische Großeltern, ein „Vierteljude“ einen jüdischen Großelternteil.

Im Fokus des Gesetzestextes und der Strafverfolgung, die mit Kriegsbeginn und insbesondere in der zweiten Kriegshälfte mit zunehmender Härte bis hin zur Todesstrafe ausgeübt wurde, standen die Männer. Frauen wurden ebenso mit sogenannter Schutzhaft, Ausbürgerung und Deportation bestraft. Bis 1940 wurden allein wegen „Rassenschande“ 1.911 Personen rechtskräftig verurteilt oder öffentlich gedemütigt. Im Stürmer wurden damals immer wieder Artikel veröffentlicht, die die Juden schlechtmachten und als fürchterliche Menschen darstellten. Dazu gehören zum Beispiel Schlagzeilen wie „Massenmörder – Judenärzten soll die Behandlung von Nichtjuden verboten werden“ oder „Jüdische Blutschande – Ein Jude schändet sein nichtjüdisches Kind“. 

Karikatur: Schach dem Teufel 

Die Karikatur zeigt eine blonde Frau mit einem Hakenkreuzanhänger, welche zur Seite blickt bzw. nach hinten. Sie soll eine typisch „arische” deutsche Frau darstellen. 

Im Hintergrund lauert ein eher düster und hinterhältig aussehender Mann, der einen David-Stern auf seiner Kleidung trägt und somit einen Juden darstellen soll. Auch die Hakennase und die wulstigen Lippen des Mannes weisen darauf hin, dass er einen Juden darstellen soll, da dies weitverbreitete Stereotype waren. Um nochmal genau zu zeigen, dass die Juden den ‚Teufel‘ darstellen, hat der Mann auf dem Bild oberhalb der Augen zwei Hörner. Der Mann wird durch ein Buch, auf dem „Rassengesetze“ steht, von der Frau getrennt. Die Bildunterschrift macht deutlich, dass die Gesetze mit aller Härte umgesetzt werden sollten.

Die Karikatur verdeutlicht die Trennung von Juden und Nichtjuden mithilfe der Nürnberger Rassengesetze, da durch diese Beziehungen zwischen ihnen verboten wurden.

"Schach dem Teufel" Gesetz allein schützt unsere Jugend nicht / Dem Juden ist Gebot, daß er es bricht. Des Juden Treiben könnt ihr nur beenden / versteht ihr das Gesetz scharf anzuwenden", in: Stürmer Nr. 19 (1937).

“Armer Hansi” 

erstellt von Lisa, Sofie und Yasmina

Armer Hansi” ist ein Zeichentrickfilm der Deutsche Zeichentrickfilm GmbH” (1941-1944, als Konkurrenzunternehmen zum Walt Disney Konzern gegründet) aus dem Jahr 1943 (Länge ca. 17 Minuten) unter der Regie von Gerhard Feber und Frank Leberecht. Er erzählt die Geschichte des Kanarienvogels Hansi, der seinen Käfig verlässt, weil er sich in eine vorbeifliegende Schwalbe verliebt hat. Doch Hansi verirrt sich in der Natur, und seine Angebetete hat auch noch einen groben Vogelmann. Schließlich kehrt er nach Regenguss und der Verfolgung durch einen Kater und andere furchteinflößende Kreaturen reumütig zurück in seinen Käfig – wo eine hübsche Kanariendame auf ihn wartet. Hansi verschließt kurzerhand die Käfigtür hinter sich und ist zusammen mit seiner Angebeteten in Sicherheit.

Worum geht es?

Der Film, der ohne Sprechertext auskommt, vermittelt wie gefährlich und falsch „Rassenschande“ angeblich sei und dass es am besten sei, sich nur mit seiner Art bzw. „reinrassigen“ Arten einzulassen. Also: Gleich und gleich gesellt sich gern.

Szenenanalyse

Szene 1

  • Hansi, allein in seinem Käfig, sehnt sich nach Freiheit.
  • Sein monotoner Alltag wird von den immer gleichen Abläufen und einer lauten, nervigen Kuckucksuhr bestimmt, die ihn wahnsinnig macht.
  • Er sieht, wie andere ihre Freiheit genießen und fühlt sich traurig und allein gelassen.
  • Hansi sieht vor dem Fenster plötzlich eine Schwalbe, in die er sich umgehend verliebt.
  • Er bricht aus seinem Käfig aus und folgt der schwarzen Schönheit.

Szene 2

  • Hansi ist buchstäblich im 7. Himmel und macht schwimmähnliche Bewegungen in der Luft  oder gleitet wie auf Schlittschuhen getragen daher.
  • Plötzlich taucht ein fratzenhafter Drachen vor ihm auf und  Hansi sucht das Weite.

Szene 3

  • Endlich erreicht Hansi das Heim seiner Angebeteten.
  • Doch kaum angekommen, vertreibt ihn der Schwalben-Mann wütend aus seinem Revier.
  • Hungrig geworden, sieht Hansi eine riesige Sonnenblume, doch kaum will er fressen, wird er von einem herannahenden schwarzen Vogelschwarm fast totgepickt und ergreift erneut die Flucht.
  • Gejagt von einer Katze, kommt er knapp mit dem Leben davon.
Szene 4
 
  • Völlig erschöpft erreicht Hansi sein Zuhause.
  • Dort sitzt ein Kanariendame in seinem Käfig.
  • Freudig bricht Hansi die Käfigtür auf, gesellt sich zu ihr und verschließt den Käfig.
  • Er fühlt sich nun nicht mehr eingesperrt, genervt und allein, sondern wie im “goldenen Käfig”.
 
 

Der Madagaskar-Plan

erstellt von Erik, Nora und Paul 

Der deutsche Orientalist Paul de Lagarde erwähnte 1885 in seinem Aufsatz Über die nächsten Pflichten der deutschen Politik” beiläufig die Idee, Juden nach Madagaskar zu deportieren. Lagarde, ein Vertreter des völkisch-rassistischen Antisemitismus, betonte, dass Madagaskar eine klügere Wahl als Palästina sei. Die Nazis übernahmen später diese Argumentationsbasis, da Madagaskar groß genug schien, um Millionen von Juden aufzunehmen. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die isolierte Lage der Insel, die eine “rassische” Vermischung kaum zuließ.

Schon früh, nämlich 1933, wurde  im „Stürmer” begeistert das Thema rund um den Madagaskar-Plan thematisiert.  Es bejubelte die Idee, die Insel im indischen Ozean zum neuen Heim der in Europa lebenden Juden zu machen, um sie dort zum Sterben (an Seuchen und anderen Krankheiten aufgrund des tropischen Klimas) zurückzulassen. Jedoch sollten auch Militärboote um die Insel patrouillieren, um die Juden an der Flucht zu hindern. Durch die Umsiedlung der Juden sollte der „jüdische Einfluss” beseitigt werden, um somit mehr Platz für das neue nationalsozialistische Deutschland zu schaffen. 

Für Franz Rademacher war der Krieg bereits im Mai 1940 entschieden. Deshalb begann der 34-jährige Jurist aus Neustrelitz, sich grundlegende Gedanken über eine andere Frage zu machen: Was soll mit all den Juden geschehen? Er legte seinem Vorgesetzten am 3. Juni 1940 einen radikal ausgearbeiteten Plan vor. 

In wenigen Worten skizzierte er eine beispiellose Vertreibung von Millionen Menschen. Rademacher schrieb, dass die Westjuden aus Europa entfernt werden sollten, zum Beispiel nach Madagaskar.
Die „Ostjuden” sollten in einem Reservat im besetzten polnischen Bezirk Lubin bleiben, um die USA aus dem Krieg herauszuhalten. Da Rademacher glaubte, dass Frankreich und England fast besiegt seien, überlegte er bereits, wie viel Geld und wie viele Schiffe diese Länder für die Massendeportation bereitstellen müssten.
Die Kosten der Verschleppung sollten von den Besiegten und Deportierten selbst getragen werden. Rademachers Vorgesetzter Martin Luther war wohlwollend gegenüber dem wahnwitzigen Plan. Bald interessierten sich auch andere hochrangige NS-Funktionäre wie Adolf Eichmann (zuständig für die Deportationen der Juden), Hermann Göring und Reinhard Heydrich (Chef des Reichssicherheitshauptamtes und Leiter der Wannseekonferenz 1942)  brennend für die Idee einer jüdischen Unterbringung auf der fernen afrikanischen Insel. Schließlich forderte sogar Hitler, dass „Magagaskar  für die Unterbringung von Juden unter französischer Verantwortung” genutzt werden sollte, und er teilte die Idee auch mit Mussolini, dem italienischen Duce, also „Führer“.

Durchführung – nicht erfolgt

Eichmann erklärte nach dem Krieg, dass die Angelegenheit gar nicht so ungünstig schien. Sein Referat berechnete akribisch, wie viele Juden aus welchen Gebieten nach Madagaskar deportiert werden sollten – insgesamt vier Millionen innerhalb von vier Jahren. Dafür müssten täglich zwei Schiffe mit jeweils 1500 Juden auf eine etwa 30-tägige Reise gehen. Insgesamt wären also nur 120 Schiffe erforderlich.
Anfangs sollten nur Ärzte, Handwerker und Landwirte – also Pioniere – auf den ersten Transporten sein, um das
Reservat” aufzubauen. Die NS-Behörde argumentierte optimistisch, dass durch die Trockenlegung der vielen Sümpfe die Ausbreitung von Krankheiten verhindert werden könnte. Obwohl es kaum Straßen gab und die Küsten von Fieber geplagt waren, sollte der „hohe Viehbestand” von sieben Millionen Rindern die Ernährung von vier Millionen Juden sicherstellen.

Aufgrund des für die Nationalsozialisten ungünstigen Kriegsverlaufes, wurde der Madagaskarplan nie realisiert, stattdessen aber auf der Wannseekonferenz die sogenannte Endlösung der Judenfrage” beschlossen, in deren Folge insgesamt ca. 6 Millionen Juden in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Unerwünscht, das waren die Juden für Streicher und den "Stürmer" schon in den 1930er Jahren. Quelle: Stürmer, Nr. 10 (1938).
Die Karikatur aus dem Jahr 1938 zeigt in typisch herabwürdigender NS-Manier einen verzweifelten und verängstigten Juden, der einen edlen Anzug trägt und an einen Globus gelehnt steht. Die Karikatur ist mit der zynischen Überschrift "Madagaskar - Das Ende" versehen.
Quelle: https://www.reddit.com/media?url=https%3A%2F%2Fi.redd.it%2F5tamm2sx1qg41.png

Unser Fazit

Wir hoffen, die Vorstellung antisemitischer Vorurteile und Propaganda aus dem Stürmer” hat Euch geholfen, solche Aussagen und Bilder künftig besser wahrzunehmen und einzuordnen. Leider sind viele der Vorurteile und Parolen heute wieder aktuell. Fallt nicht auf diese Schwarz-Weiß-Malerei herein und überprüft Nachrichten und Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt. Für uns war es erschreckend zu sehen, wie intensiv die antisemitische Propaganda im Stürmer” war und auf welchen sprachlichen und bildlichen (Irr-)Wegen sich das Blatt bewegte.

Vielen Dank an Andreas Staniak und die Universität Duisburg-Essen für das zur Verfügung stellen einiger Cover aus dem „Stürmer”. 

Literatur- und Quellenangaben

  • Augustinovic, Werner / Moll, Martin: Antisemitismus als Eriehungsinhalt. Ein Kinderbuch aus dem Stürmer”-Verlag: Entstehung – Rezeption – Wirkung, in: Vierteljahrshefte zur Kommunikationsforschung 1991, S. 343-358.
  • Benz, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bde. 2 und 3. Berlin/New York 2010.
  • Reuband, K.-H. (2008). Die Leserschaft des Stürmer” im Dritten Reich: soziale Zusammensetzung und antisemitische Orientierungen. Historical Social Research, 33(4), 214-254.
  • Roos, Daniel: Julius Streicher und „Der Stürmer” 1923-1945. Paderborn 2014.