DWV2 erhält "Dr. Selig-Auerbach-Preis" 2024

Die Preisträger aus der DWV2. Foto: Herbert Hehemann

Im Rahmen einer festlichen Veranstaltung im Rathaus Recklinghausen am 22. März 2024 verlieh die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Kreis Recklinghausen dem Berufskolleg Gladbeck den Dr. Selig-Auerbachpreis 2024. Mit dieser Auszeichnung würdigt die Gesellschaft das beeindruckende Engagement der Schule bei der Aufarbeitung des Themas „Antisemitismus“. Der Recklinghäuser Bürgermeister Christoph Tesche betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung der Erinnerungskultur und lobte das große Engagement der Schüler:innen der DWV2 des Wirtschaftsgynasiums, die in einer Präsentation ihre Projektarbeit vorstellten.

Die Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gerda E.H. Koch begrüßte die Klassen und geladenen Gäste. Foto: BKG
Recklinghausens Bürgermeister Christoph Tesche hob die Bedeutung der Projektarbeiten hervor. Foto: Herbert Hehemann

In der Laudatio hob die jüdische Vorsitzende der Gesellschaft, Frau Lewin, hervor: Sie haben detailreich und sehr gründlich recherchiert und unter der Leitung ihrer Geschichtslehrerin Dr. Quick eine Dokumentation mit dem Titel „Julius Streichers antisemitische Zeitschrift ‚Der Stürmer‘“ erarbeitet, womit sie, wie sie selbst schreiben, „beispielhaft zeigen (wollen), wie niederträchtig, grausam, menschenverachtend und hanebüchen die Propaganda des ‚Stürmer‘ zwischen 1923 und 1945 war“. Unter großem Applaus nahmen die Vertreter:innen des Berufskollegs Gladbeck den Preis entgegen. Ivan Vinytskyi aus der CET1B brillierte am Flügel mit Chopins Etude Op.25 Nr.11, die Ihr Euch anhören könnt, wenn Ihr auf das Noten-Icon klickt.

Die Laudatorin Christl Lewin, jüdische Vorsitzende der Gesellschaft, hielt eine bewegende und beeindruckende Rede. Foto: BKG
Mit Chopins Etude Op. 25 Nr. 11 verzauberte Ivan Vynitskyi das Publikum. Foto: Herbert Hehemann
Projekteinblicke Foto: BKG
Urkunde "Dr. Selig S. Auerbach Preis" Foto: BKG

Laudatio zur Verleihung des Dr. Selig S. Auerbach Preises 2024

der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 

Kreis Recklinghausen e.V. an das Berufskolleg Gladbeck

 Ein zehnjähriger Junge steht inmitten einer Menschenmenge und liest die ausgestellte Zeitung in dem Schaukasten, vor allem sieht er Bilder. Bilder mit verzerrten Gesichtern, verzogenen Gliedmaßen, dabei Schlagzeilen, die er nicht richtig versteht. Es ist ein jüdischer Junge mit hellen Haaren und blauen Augen. Er weiß schon einiges über die Probleme, die Juden in Deutschland haben. Aber diese Zeichnungen in der Zeitung sollen Juden sein – in der Verwandtschaft, in der Schule, in der jüdischen Gemeinde sieht niemand so aus. Als der Junge zuhause mit seinen Eltern darüber spricht, wird ihm verboten, jemals die Zeitung auch nur anzusehen. Aber es sind die Worte, die sich in seinen Kopf einprägen. Worte, die Bausteine einer Sprache – wann werden „Worte“ zu „Parolen“, wann werden Parolen wie im  „Stürmer“ zu gedruckter Gewalt? 

Die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs Gladbeck, Grundkurs Geschichte 12, sind in ihrem Projektbeitrag um die Bewerbung des Dr. Selig Auerbach-Preises dieser Frage nachgegangen und haben mit viel Akribie und Leidenschaft ein außerordentliches Werk abgeliefert. Auf 25 Seiten mit reichlich Bildmaterial und klaren Texten wird von einem Presseprodukt berichtet, das den Namen nicht verdient und dennoch mehr als 25 Jahre regelmäßig in den Köpfen der Leser ein Bild des „Juden“ schafft, das der Leser oft genug als das seinige bestätigt sieht – zwar überzogen, aber so sind die Juden. Wie konnte ein kleines Lokalblatt, anfangs sogar nur ein „Flyer“, gegründet 1923, 1932 als „Deutsches Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit“ bis zur letzten Ausgabe Februar 1945 in kurzer Zeit eine deutschlandweite Verbreitung finden?  

Dieser Frage gehen die Schülerinnen und Schüler, 14 an der Zahl, nach. In dem Beitrag zu dem „Dr. Selig S. Auerbach-Preis“ stellt die Arbeitsgruppe ihre Arbeitsgruppe selbst vor. Zitat aus der Bewerbung: „Wir möchten zeigen, wie niederträchtig, grausam, menschenverachtend und hanebüchen die Propaganda des Stürmers war. Damit ihr nicht selbst auf diese Propaganda hereinfallt, stellen wir euch ausgewählte antisemitische Vorurteile vor.“ 

Von dem alles begleitenden Slogan „Die Juden sind unser Unglück“ werden alle Themen des Lebens der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland verunglimpft. Die Arbeitsgruppe zeigt, obwohl der „Stürmer“ nie ein offizielles Organ der NSDAP war, dass der Herausgeber Julius Streicher dank seiner ergebenen Freundschaft zu den Parteigrößen bis Kriegsende sein zerstörerisches Werk fortsetzten konnte.

Zitat aus der Bewerbung: „Mit detailreichen Geschichten über Sex, Namen und Verbrechen der Juden versuchte der ‚Stürmer‘ die Leserschaft zu erregen und zu unterhalten. Diese Anschuldigungen waren haltlos und zielten auf die Entmenschlichung und Diffamierung der Juden hin.“ Ritualmorde, Wirtschaftsvergehen, Rassenschande, kurz die jüdische Gefahr drohte angeblich überall.

Die Schülerinnen und Schüler zeigen in ihrer Arbeit, wie durchdrungen schon die Erziehung junger Kinder von der Ideologie des Rassenhasses war, z.B. in dem Film vom „Kleinen Hansi“. Durch die „Nürnberger Gesetze“ wurden Familien zerstört, Kinder zu Halbwaisen oder sogar zu Waisen gemacht. Die Arbeitsgruppe zeigt, dass schon lange vor dem sogenannten Rassengesetz eine sentimentale Bindung von Juden und Nichtjuden in gewissen Kreisen in Deutschland nicht hinnehmbar war. Um Deutschland endlich „judenfrei“ zu bekommen, wurde an dem Madagaskar-Plan gearbeitet: „Alle Juden auf die afrikanische Insel!“ Da sich dieser „humane“ Plan als sich nicht durchführbar erwies, schritt man zur „Endlösung“ auf der Wannsee-konferenz.

Wie gewissenhaft der Geschichtskurs 12 gearbeitet hat, zeigen die vielen Quellenangaben, sowohl analog als auch digital. Sich einem so schwierigen Thema in einem Geschichtskurs zu nähern, verlangt mehr als nur die geforderte Aufmerksamkeit in einem bestimmten Schulfach. Um alle Quellenangaben zu suchen, zu prüfen, dann Texte zu formulieren, Bildquellen auszuwählen, dann alles in eine präsentable Form zu bringen – all das erfordert viel Zeit, die die Schülerinnen und Schülern vielleicht auch in ihrer Freizeit eingesetzt haben, um dieses Geschichtsprojekt mit Leidenschaft und Ernsthaftigkeit zu realisieren. Unter der Leitung von Frau Dr. Quick, der Leiterin des Grundkurses Geschichte 12 des Berufskollegs Gladbeck, wurde das Projekt „Julius Streicher antisemitische Zeitschrift der ‚Stürmer‘ Analyse und Vorstellung von Stereotypen“ zur Bewerbung um den „Dr. Selig S. Auerbach-Preis“ eingereicht.

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Recklinghausen e.V. hat in ihrem Gesamtvorstand einstimmig beschlossen, das Projekt mit dem Dr. Selig S. Auerbach-Preis zu belohnen. Somit ist der Preisträger 2024 der Grundkurs Geschichte 12 des Berufskollegs Gladbeck.

Einen herzlichen Glückwunsch der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit – und auch von mir persönlich!

Recklinghausen, den 22. März 2024

Christl Lewin, jüdische Vorsitzende

Foto: BKG

Die stellvertretende Landrätin, Martina Eißing, vertrat den Kreis Recklinghausen, der für die Berufskollegs zuständig ist, und dankte vor allem den Schüler.innen für ihre wertvolle Arbeit und ermutigte sie, weiter demokratisch zu handeln und sich ihrer Geschichte zu erinnern. Schulleiter Holger Pleines betonte darüber hinaus den Einsatz für ein demokratisches Miteinander an den Berufskollegs im Vest und würdigte die Leistung des Geschichtskurses.

Zusammen mit dem Berufskolleg Gladbeck wurde die Erich-Klausener-Schule in Herten mit dem Dr. Selig S. Auerbach-Preis 2024 ausgezeichnet. Sie hatte den Gedenktag 27. Januar für Herten gestaltet. Eine Anerkennungsurkunde erhielt die Rosa-Parks-Schule in Herten. Abschließend bedankte sich die Vorsitzende der Gesellschaft, Gerda E.H. Koch, noch einmal für das große Engagement aller Beteiligten und entließ die Anwesenden in die wohlverdienten Osterferien. 

Neben einer Urkunde sowie Hintergrundinformationen zum Namensgeber “Dr. Selig Sigmund Auerbach” erhielt die DWV2 ein Preisgeld in Höhe von 350 Euro. Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung und danken der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ganz herzlich für die Anerkennung der Leistung des Kurses. Herzlichen Glückwunsch und danke den anderen ausgezeichneten Schulen für ihr Engagement im Bereich der Erinnerungskultur und der Sensibilisierung für Antisemitismus.  

Alle Schulen im Kreis Recklinghausen können sich in jedem Jahr um den Auerbach-Preis bewerben: www.jcg-re.de. Die Ergebnisse zum Wettbewerbsbeitrag findet Ihr unter www.bkgla.de/stuermer-projekt