Innehalten und gedenken - Stolpersteinverlegungen in Gladbeck

Am 8. November 2024 versammelten sich Schüler:innen, Politiker:innen und Mitglieder des „Bündnis für Courage“, um gemeinsam mit Gunter Demnig, dem Schöpfer der Stolpersteine, 16 weitere davon zur mahnenden Erinnerung in Gladbeck zu verlegen. Im Vorfeld der Verlegung hatten die Schulen mit verschiedenen Jahrgangsstufen die Schicksale der verfolgten und ermordeten Jüdinnen und Juden recherchiert und dokumentiert. Die Ergebnisse wurden in einer Ausstellung im K4 in Gladbeck gezeigt und in Kooperation mit der Initiatorin Frau Hildebrandt-Schulte-Wentrup der Öffentlichkeit vorgestellt. Entstanden sind bewegende Porträts von Menschen, die zu Nummern degradiert, entmenschlicht und vielfach durch die Nazis ermordet wurden. Einigen jedoch gelang die Flucht nach Palästina oder ins Ausland, zum Beispiel in die USA. 

Die Schüler:innen der DWV2 hatten die Schicksale der Familie Abrahams aus Gladbeck recherchiert, seinerzeit wohnhaft in der Herbertstraße 1. Bei den Recherchen fiel jedoch auf, dass die Familie bereits Stolpersteine in Bad Lippspringe hat, sodass kein zweiter Stein in Gladbeck verlegt wurde. Trotzdem möchten wir Euch die Ergebnisse natürlich nicht vorenthalten. 

Margot Abrahams Route
Josef Abrahams Route

Ende 2023 entdeckten Schüler:innen bei der Reinigung der Stolpersteine an der Rentforterstraße 16, wo Stolpersteine für die Familie Friedmann verlegt sind, dass der Stein von Mendel Friedmann gewaltsam entwendet worden war. Daraufhin wurde nicht nur der Staatsschutz informiert, sondern auch Gunter Demnig gebeten, einen zweiten Stein für den Gladbecker Kaufmann Mendel Friedmann zu verlegen, der die Shoa durch Flucht nach Palästina überlebte. Die Schüler:innen der DWV3 des Wirtschaftsgymnasiums verlasen nun bei der Wiederverlegung die Biographie Mendel Friedmanns und dessen Familie. Neben dem BKG waren auch unser Schulleiter Herr Pleines, der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Gladbeck, Herr Dyhringer, Mitglieder des „Bündnis für Courage“ und natürlich Gunter Demnig gekommen, um an der Verlegung teilzunehmen.

Herr Dyhringer lobte das Engagement der Schüler:innen und bedankte sich für ihren Einsatz für ein friedliches und tolerantes Miteinander. Frau Hildebrandt-Schulte-Wentrup betonte wie wichtig das Erinnern an die Verbrechen und das Eintreten für Demokratie sei. Zu oft würde vergessen, dass unsere Demokratie aus den Lehren aus der Weimarer Republik und der NS-Diktatur resultiere und nicht verspielt werden dürfe.

Mendel Friedmann wurde am 1. Januar 1883 in Kalusz (Galizien) geboren und war Mitinhaber eines Gladbecker Möbelgeschäftes, das er zusammen mit Jakob Faust führte. Er war gemeinsam mit seiner Frau Etli aus Polen nach Gladbeck eingewandert. Das Paar hatte vier Kinder: Berta, Max Manesse, Mallie und Moses David. 

Das Geschäft der Familie lief gut – bis die Nationalsozialisten 1933 zum Boykott jüdischer Händlerinnen und Händler aufriefen; tagelang standen Posten vor dem Laden und verwehren den Kunden den Zutritt. Schließlich wurde das Geschäft der Friedmanns im Zuge der „Arisierung“ zwangsveräußert. 

Seinem Sohn Max, der sich den Kommunisten angeschlossen hatte, setzten die bedrohlichen Verhältnisse psychisch so zu, dass er im April 1933 in die Nervenheilanstalt in Münster eingewiesen wurde. Er wurde Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde und verstarb dort am 5. Juli 1939.

Als polnische Staatsbürger wurden die Eheleute Friedmann während der sogenannten „Polenaktion“ am 28. Oktober 1938 nach Zbaszyn ausgewiesen. 1939 gelang ihnen die Auswanderung nach Palästina. Dorthin waren zwischen1935 und 1936 bereits ihre anderen Kinder geflüchtet. 

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs stellte Mendel Friedmann, damals schon über 70 Jahre alt, einen Entschädigungsantrag bei den bundesdeutschen Behörden. Sechs Jahre nach der Antragstellung stirbt Friedmann, ohne je eine Leistung erhalten zu haben.

Achtet bei einem Spaziergang durch Gladbeck doch einmal auf die Stolpersteine auf Eurem Weg, haltet inne und die Erinnerung an die Menschen lebendig, die unter dem NS-Regime litten oder ihm zum Opfer fielen: „Wer sich seiner Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ (George Santayana).

Die Stolpersteine werden durch Spenden finanziert. Falls Ihr spendet wollt, könnt Ihr an folgendes Konto überweisen

Konto des Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten / Stichwort „Stolpersteine“ / Stadtsparkasse Gladbeck / IBAN DE72 42450040 000 071167